Stumme Wut: Kriminalroman

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eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Das Harkness-Massaker jährt sich zum 20. Mal. Es gibt keine Spuren und nur einen damals elfjährigen Zeugen, der nicht spricht. DCI Matilda Darke wird nach einer mehrmonatigen Zwangspause mit dem unaufgeklärten Doppelmord betraut. Genau das, was die Leiterin der Mordkommission nicht wollte: das Abstellgleis. Doch plötzlich weist ein neues Verbrechen Verbindungen zum Harkness-Fall auf. Entgegen ihrer Befehle ermittelt Matilda in dem aktuellen Mord. Es ist ihre letzte Chance, den Täter von einst zu fassen und sich ihren Vorgesetzten zu beweisen.

"DCI Matilda Darke wird es nach ganz oben schaffen" - James Oswald


Product Details

ISBN-13: 9783959677202
Publisher: HarperCollins Publishers
Publication date: 01/02/2018
Series: DCI Matilda Darke (German Language) Series , #1
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 416
File size: 1 MB
Language: German

About the Author

Michael Wood ist freiberuflicher Journalist und Lektor und lebt in Sheffield. Als Reporter hat er über viele Kriminalfälle in der Stadt berichtet und dadurch einen intensiven Einblick in die Ermittlungsarbeit der Polizei gewinnen können. Zudem rezensiert er Bücher für Crimesquad, eine Webseite, die sich der Kriminalliteratur verschrieben hat.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Zwanzig Jahre später

Matilda Darke hatte diesen Tag neun Monate lang herbeigesehnt. So lange war sie durch einen tiefen Sumpf schmerzlicher Emotionen gewatet. Sie reichten von einer schweren Depression, in der sie den Rest ihres Lebens im Bett verbringen wollte, bis zu hysterischen Anfällen, bei denen sie sich aus unerklärlichen Gründen die Seele aus dem Leib weinte. Nach einer langwierigen kognitiven Verhaltenstherapie, wöchentlichen Besuchen bei einer Therapeutin und Unmengen Antidepressiva war sie wieder ganz auf der Höhe – das redete sie sich jedenfalls ein.

Es war der erste Montag im Dezember. Zwei Stunden bevor der Wecker klingelte war sie in einem eiskalten Haus aufgewacht. Die Zentralheizung war nicht angesprungen, und laut dem Digitalthermometer auf dem Fensterbrett lag die Temperatur draußen bei vier Grad minus. Im Haus fühlte es sich nicht viel wärmer an.

Sie duschte sich warm, dann würgte sie ihr Frühstück, das aus zwei Scheiben Vollkorntoast und schwarzem Kaffee bestand, hinunter. Das Kauen fiel ihr schwer. Ein Teil von ihr freute sich darauf, mit hoch erhobenem Kopf zur Arbeit zurückzukehren und der Welt zu zeigen, dass mit ihr noch zu rechnen war. Ein anderer Teil weinte still vor sich hin und sehnte sich ins sichere Bett zurück.

Ihr drei Jahre alter Ford Focus stotterte erst in der Kälte, der Motor wurde aber relativ schnell warm. Er schien zu wissen, dass sie an diesem Tag keine Schwierigkeiten gebrauchen konnte. Zwanzig ereignislose Minuten später war Matilda am Ziel, holte tief Luft und bog mit einem leisen Lächeln links auf ihren angestammten Parkplatz ein.

Sie trat heftig auf die Bremse und umklammerte das Lenkrad. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und das kribbelnde Gefühl, das sich in ihrem Nacken breitmachte, kündigte eine Panikattacke an. »Walpole, Compton, Pelham, Newcastle, Devonshire«, flüsterte sie atemlos.

Sie starrte den schwarz glänzenden Audi an, der auf ihrem angestammten Parkplatz stand. Wem gehörte er? Hatte man den Besitzer nicht informiert, dass sie wieder da war? Sie konnte den Kloß in ihrem Hals nur mit Mühe hinunterschlucken. Auf einmal fand sie gar nicht mehr, dass das mit der Rückkehr eine gute Idee gewesen war.

Eine Viertelstunde später hatte sie ihr Auto in einer Parklücke an der Rückseite des Gebäudes abgestellt und saß auf einem unbequemen Stuhl, dessen Polsterfüllung herausquoll, während sie darauf wartete, ins Büro ihrer Chefin vorgelassen zu werden.

Sie sah sich in dem kleinen Vorzimmer um, betrachtete die billigen Drucke an den Wänden. In einer Ecke stand eine große Vase mit Plastikblumen. Die künstlichen Blütenblätter waren von einer dicken Staubschicht bedeckt, die ihre leuchtenden Farben zu einem trüben Grau dämpfte. Der beißende Geruch eines Desinfektionsmittels mit Kiefernduft hing in der Luft und kratzte ihr in der Kehle.

Die Lampe über der Tür sprang auf Grün.

»Scheiße«, sagte sie zu sich selbst. »Na dann.«

Sie stand auf und strich ihren dunkelblauen Hosenanzug glatt. Er war das erste Kleidungsstück, das sie seit über einem Jahr gekauft hatte, und zu ihrem Entsetzen hatte sie festgestellt, dass sie eine Konfektionsgröße zugelegt hatte. Sie fuhr sich durchs dunkelblonde Haar. Ihr Friseurbesuch war erst eine Woche her. Matilda war einundvierzig Jahre alt und fühlte sich wie ein Schulmädchen, das man wegen Mogelns bei der Mathearbeit zum Direktor zitiert hatte.

Bevor sie die Klinke hinunterdrückte, betrachtete sie ihre Hände. Sie zitterten. Das war kein gutes Zeichen.

»Da sind Sie ja! Schön, Sie wiederzusehen.« Jedes Wort klang wie ein eigener Satz. Es war natürlich höchst unprofessionell, aber Assistant Chief Constable Valerie Masterson sprang auf, kam hinter ihrem übergroßen Schreibtisch hervor und zog Matilda in eine feste Umarmung. »Nehmen Sie doch Platz. Ich habe gerade frischen Kaffee gekocht.«

Sie setzten sich, und die schmale Assistant Chief Constable wirkte beinahe zwergenhaft an dem massiven Tisch. Eine ganze Weile nahmen sie sich schweigend in Augenschein. Valerie kam Matilda wesentlich älter vor als dreiundfünfzig. Sie hatte seit ihrer letzten Begegnung abgenommen und ein paar neue Falten bekommen, wie ein Reifen, in dem ein Nagel steckte und dem allmählich die Luft ausging. Matilda fragte sich für einen kurzen Moment, ob Valeries Urteil über ihr eigenes Aussehen wohl ähnlich unerfreulich ausfiel. Merkt sie, dass ich zugenommen habe? Ist meine Frisur in Ordnung? Sehe ich älter aus?

»Sie sehen sehr gut aus«, log Valerie recht überzeugend.

»Danke. So fühle ich mich auch«, log Matilda zurück.

Valerie Masterson war koffeinsüchtig und mochte das schwarze Zeug aus den Automaten nicht, die an strategischen Punkten der Polizeistation standen. Deshalb hatte sie ihre persönliche Gaggia in ihrem Büro. Sie schenkte ihnen je eine mittelgroße Tasse ein, Kaffee mit Milch und einem Löffel Zucker für sich selbst, schwarz für Matilda. Das hatte sie sich gemerkt.

»Na, sind Sie bereit für Ihren ersten Arbeitstag?«

»Absolut. Ich will das letzte Jahr hinter mir lassen und so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren.«

»Das denke ich mir. Leider kann ich Sie nicht sofort in den aktiven Dienst zurückschicken.«

Das starre Lächeln in Matildas Gesicht erlosch unvermittelt. »Warum nicht? Wir haben doch letzte Woche am Telefon besprochen ...«

»Ich muss mich an die Vorgaben Ihres psychiatrischen Gutachtens halten.«

»Meines was?«

Valerie lehnte sich vor und fischte eine braune Aktenmappe aus den Tiefen ihrer Ablage. Sie zog ein fünfseitiges Gutachten heraus und überflog es.

Matilda hätte ihr das Dokument am liebsten aus den Händen gerissen. Sie wollte wissen, was diese herablassende Therapeutin über sie zu sagen hatte.

»Es besteht kein Grund zur Sorge. Ich kenne keine Details Ihrer Sitzungen bei Dr. Warminster. Diese unterliegen der Schweigepflicht, wie Sie wissen. Ihre Therapeutin wurde jedoch gebeten, uns vor Ihrer Rückkehr schriftlich mitzuteilen, ob Sie den Dienst ihrer Ansicht nach schon wieder aufnehmen können und welche Arbeitsbelastung zumutbar ist.«

»Sie hat etwas dagegen, dass ich wieder Vollzeit arbeite?« Unter dem Schreibtisch ballte Matilda die Fäuste so fest, dass sich die Fingernägel in die Handflächen gruben. Ihre Knöchel verfärbten sich weiß. Der Schmerz wanderte ihre Arme hoch, und sie spürte die Erleichterung, die er ihr bereitete.

»Ganz und gar nicht. Sie hat ein geradezu überschwängliches Gutachten verfasst. Sie bewundert Ihren Mut und Ihren Genesungswillen.« Die Assistant Chief Constable lächelte.

War das ein echtes oder ein gezwungenes Lächeln? Die Fältchen um die Augen, die es als echt ausgewiesen hätten, fehlten, allerdings war in ihrem Gesicht kaum noch Platz für weitere Falten. Matilda schalt sich, weil ihre Gedanken abschweiften. »Aber ...«

»Sie ist nur nicht der Ansicht, dass Sie sofort wieder die Abteilung leiten sollten. Sie empfiehlt, dass Sie sich langsam einarbeiten, und ich neige dazu, ihr zuzustimmen.«

»Ist das eine freundliche Art, mir zu sagen, dass Sie mich degradieren?« Die ganzen neun Monate ihrer Abwesenheit hatte Matilda die Vorstellung gequält, man könnte ihr den Titel des Detective Chief Inspectors wegnehmen, für den sie so hart gearbeitet hatte.

»Ich degradiere Sie nicht, Matilda. Sie sind eine der besten DCIs in South Yorkshire. Ihre gute Arbeit und Ihr Engagement sind allgemein bekannt. Ich kann Ihnen nur keinen großen Fall übertragen, bis alle beteiligten Parteien sicher sind, dass Sie wieder voll einsatzfähig sind.«

»Alle beteiligten Parteien?«

»Sie, ich, Dr. Warminster, der Chief Constable. Wir stehen alle zu hundert Prozent hinter Ihnen.«

Newcastle, Bute, Grenville, Rockingham, Pitt der Ältere, zählte sie in Gedanken auf. Warum reichte allein der Name ihrer Therapeutin, um Angstgefühle auszulösen? Zur Bewältigung von Stresssituationen rezitierte Matilda die Namen britischer Premierminister, eine Technik, die ihr ausgerechnet Dr. Warminster vorgeschlagen hatte. Matilda war sich darüber im Klaren, dass die Rückendeckung ihrer Vorgesetzten ein leeres Versprechen war. Ja, sie hatte einen Fehler begangen, und ja, sie hatte dafür bezahlt. »Hören Sie, es ist nicht zu leugnen, dass ich mich im letzten Jahr verändert habe, aber ich bin immer noch DCI. Ich bin in der Lage, meinen Job zu machen. Wenn ich das nicht glauben würde, wäre ich jetzt nicht hier.« Sie fragte sich, wen sie eigentlich zu überzeugen versuchte.

Valerie griff in die oberste Schreibtischschublade und zog eine dicke Akte heraus. Sie hatte schon bessere Tage gesehen und war mit Kaffeetassenringen und Spritzern übersät. »Erinnern Sie sich an die Harkness-Morde?«, fragte sie, faltete die Hände und legte sie auf den Ordner.

Matilda wusste, worauf das hinauslief. »Sie übertragen mir einen ungeklärten Fall?«

»Ich möchte nur, dass Sie ihn sich mal ansehen. Einen Monat lang, höchstens sechs Wochen.«

»Gibt es neue Hinweise?«

Valerie senkte den Blick auf den Ordner. »Nicht direkt.«

»Was soll das heißen?« Matilda verschränkte die Arme. Sie spürte wieder dieses Kribbeln im Nacken.

»Sind Sie mit dem Fall vertraut?«

»Jeder kennt diesen Fall. Er gehört zur Geschichte Sheffields.«

»Das Haus wird morgen abgerissen.«

»Wurde auch langsam Zeit.«

»Letzte Woche rief mich ein Reporter von The Star an. Er wollte wissen, ob wir den Fall wieder aufnehmen.«

»Das sieht dann ja wohl so aus.«

»Aufgrund von Budgetkürzungen haben wir leider keine Kommission mehr, die sich ruhenden Fällen widmet. Dass das Haus abgerissen wird, ist nicht nur von lokalem Interesse, es wird auch überregional Aufmerksamkeit erregen. Der Fall hat damals ganz schön Wellen geschlagen. Ich möchte nicht, dass jemand denkt, man könnte in South Yorkshire mit Mord davonkommen.«

»Es geht also vor allem um PR?«

»Ich glaube fest daran, dass wir den Fall aufklären können. Er mag lange zurückliegen, doch der Täter steckt irgendwo in dieser Akte. Ich weiß es. Wenn es jemanden gibt, der den Mörder von Stefan und Miranda Harkness finden kann, dann Sie, Matilda.«

Matilda wusste, dass das nur ein Trostpflaster war. Dass sie die Entführung Carl Meagans versiebt hatte, war den Einwohnern von Sheffield noch bestens im Gedächtnis. Es hätte nicht gut ausgesehen, wenn eine Ermittlerin, über deren Kopf eine düstere Wolke hing, einen wichtigen Fall leitete. Sollte es ihr aber gelingen, einen bekannten ungelösten Fall aufzuklären, wären alle zufrieden. Sie streckte die Hand nach der Akte aus, zuckte jedoch wieder zurück.

Grafton, North, Wentworth, Petty, North und Fox.

»Ich brauche einen DC.«

»Ich teile Ihnen einen zu.«

»Außerdem brauche ich ein Büro zum Arbeiten.«

»Kein Problem.«

»Wo sind die Beweismaterialien?«

»Auf dem Weg aus dem Lager hierher. Sie haben Zugriff auf alles, was mit dem Harkness-Fall zu tun hat, und freie Hand, was Vernehmungen betrifft.«

Matilda verdrehte die Augen. Die Beweisstücke waren bereits unterwegs. Die Entscheidung war gefallen. Sie fragte sich, ob das für sie den Anfang vom Ende bedeutete. Wollte überhaupt noch irgendjemand mit ihr zusammenarbeiten? »Was, wenn ich den Fall nicht lösen kann?«

»Ich glaube fest an Sie.«

»Das beantwortet meine Frage nicht.«

»Dann bleibt er ungelöst.«

»Werde ich zur Mordkommission zurückkehren, wenn das hier vorbei ist?«

»Das wird zu gegebener Zeit überprüft.«

Sie spürte einen Spannungskopfschmerz in sich aufsteigen. Der Impuls, ihre Marke auf den Tisch zu werfen und den Dienst zu quittieren, brodelte in ihr und stand kurz vor dem Ausbruch.

»Sind Sie noch bei Dr. Warminster in Behandlung?«, fragte Valerie, als sie sah, dass die DCI auf ihrer Unterlippe herumkaute.

»In dieser Frage habe ich kein Mitspracherecht. So ähnlich wie hier gerade.«

»Matilda, im vergangenen Jahr hat sich bei uns viel verändert. Bearbeiten Sie diesen Fall, gehen Sie weiter zu Ihren Sitzungen bei Dr. Warminster, und jeder ist glücklich.«

»Außer mir.«

»Haben Sie wirklich geglaubt, Sie könnten so mir nichts, dir nichts direkt wieder an die Front zurückkehren, als wäre nichts geschehen?«

»Ja. Die Untersuchungskommission hat mich von jeder Schuld freigesprochen. Ich sollte da weitermachen dürfen, wo ich aufgehört habe.«

»Das werden Sie auch. Dies ist die letzte Hürde. Hören Sie, die Polizei von South Yorkshire genießt im Moment keinen besonders guten Ruf. Die Hillsborough-Untersuchung und der Kindesmissbrauchsskandal von Rotherham bereiten mir Kopfzerbrechen, und das sind nur zwei von vielen Dingen, mit denen ich mich herumschlagen muss. Ich darf Sie nicht einfach wieder in die vorderste Reihe schicken, als wäre nichts passiert.«

Widerwillig griff Matilda nach der Akte. Sie fürchtete, dass es kein Zurück mehr gab, sobald ihre Finger die Mappe berührten.

»Es gibt noch eine Bedingung ...«, begann Valerie.

Natürlich.

»Dr. Warminster hat für Sie reduzierte Arbeitszeiten empfohlen.«

Matilda blieb stumm. Man hatte sie ihrer Kompetenzen und ihrer Rolle innerhalb der Polizeitruppe beraubt und sie von den Kollegen isoliert. Was jetzt kam, konnte sie ebenso wenig beeinflussen und war es nicht wert, dafür zu kämpfen. Diese Schlacht konnte sie nicht gewinnen.

»Sie dürfen den Dienst nicht vor neun Uhr antreten und müssen das Revier um sechzehn Uhr verlassen haben. Ist das klar?«

Matilda stand auf und presste die Akte an die Brust. »Kein Problem«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Dann komme ich wenigstens rechtzeitig nach Hause, um meine Gameshows zu sehen.«

Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte hinaus. Am liebsten hätte sie die Tür hinter sich zugeknallt, doch damit wartete sie besser, bis sie zu Hause war. Dort würde sie auch aus voller Kehle in ein Kissen hineinbrüllen – eine weitere stresslindernde Übung, die diese doppelzüngige Harpyie Dr. Warminster empfohlen hatte.

CHAPTER 2

Das große Einfamilienhaus stand auf einem weitläufigen Grundstück im Stadtteil Whirlow. Es lag in einiger Entfernung zur Hauptstraße, und eine einstmals säuberlich geschnittene immergrüne Hecke versperrte nach wie vor den Blick darauf. Die geschotterte Zufahrt verzweigte sich. Ein Weg führte zu einer zweiflügeligen Haustür, der andere zu einer imposanten frei stehenden Garage neben dem Haus. Es war aus rotem Backstein erbaut worden, stammte aus viktorianischer Zeit und verfügte über zwei eindrucksvolle Schornsteine und große Fenster.

Es hätte viel Pflege bedurft, das alte Haus und den Garten instand zu halten, damit das Anwesen seinen ursprünglichen Glanz nicht verlor. Unglücklicherweise hatte sich in den letzten zwanzig Jahren niemand dieser Aufgabe angenommen. Die immergrüne Hecke hatte wild vor sich hin wuchern können, ihre Äste hingen leblos herab, und das früher leuchtende Grün wirkte stumpf und glanzlos.

Der Garten war verwildert, und die Zufahrt verschwand fast völlig unter Unkraut und braunem Laub. Das Haus war völlig zerfallen. Eingeworfene Fenster waren mit billigem Sperrholz vernagelt worden. Ein Schornstein war eingestürzt, und jemand hatte das Blei vom Dach gestohlen, auf dem nur noch wenige Ziegel verblieben. Graffiti bedeckte das Garagentor.

Ein hölzerner Bauzaun umgab das Gelände. Provisorisch befestigte Zettel wiesen Passanten darauf hin, dass der Abriss des Hauses unmittelbar bevorstand. Das einstmals hochherrschaftliche Gebäude war zu einem Schandfleck verkommen, der mittlerweile den Verkaufswert der umliegenden Immobilien minderte.

Auf der von der Straße abgewandten Seite des Grundstücks gab es eine Lücke zwischen dem letzten Zaunelement und der Hecke. Sie war schmal, aber wer dünn genug war, konnte sich hindurchwinden, ohne von der Hauptstraße aus gesehen zu werden.

Als er es geschafft hatte, klopfte der Mann in Schwarz seine Kleidung ab, richtete sich auf und betrachtete das Haus. Es war ein Jammer, das einst beeindruckende Bauwerk in einem derartigen Zustand des Verfalls vorzufinden.

Viel war nicht zu sehen. Die Fenster im Erdgeschoss waren alle mit Brettern vernagelt. Aber das Vorhängeschloss an der Sperrholztafel am Hintereingang war verrostet und gab nach ein paar Schlägen mit einem Stein nach. Der Mann stieß die Tür auf und trat ein.

Die Hintertür führte direkt in die Küche, die früher das Herz der Wohnung gewesen war. In der Düsternis lag der bittere Geruch des Todes in der Luft. Spinnweben hingen von Wänden und Leuchten, eine dicke Staubschicht bedeckte jede ebene Fläche. Die Küche war mit allem Komfort ausgestattet, den eine reiche Familie sich damals hatte wünschen können, auch wenn inzwischen das meiste veraltet war. Die Küchenmaschine hatte die Größe einer Mikrowelle. Eine gelbe Salatschleuder stand auf der Arbeitsfläche neben dem Herd. Benutzten die Leute heute noch Salatschleudern?

(Continues…)



Excerpted from "Stumme Wut"
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